Der Bauer ist kein Spielzeug

Die Legende Das Riesenspielzeug

Sage von
Burg Nideck
im Elsass

Nach einer Sage aus dem Elsass, die ähnlich auch von den Brüdern Grimm, Ludwig Bechstein und anderen aufgenommen wurde, lebten einst auf der Burg Nideck in den elsässischen Vogesen Riesen. Der Legende nach waren sie die Burgherren. Eines Tages fand eine Tochter der Riesen-Familie bei einem Ausflug Bauern, die auf dem Feld arbeiteten, und nahm sie mit ihrem Wagen, dem Pflug und den Zugtieren als Spielzeug mit nach Hause. Als ihr Vater sah, womit seine Tochter spielte, schimpfte er sie, und belehrte sie, dass das ganze Land und auch sie selbst auf die Arbeit der Bauern angewiesen sind, und ohne ihre Arbeit alle verhungern müssten. Er wies sie an, alles wieder unversehrt zurückzubringen.

Der deutsch-französische Dichter

Adelbert von Chamisso

schrieb 1831 ein Gedicht nach der Legende:

Das Riesenspielzeug

Burg Nideck ist im Elsass der Sage wohlbekannt,
die Höhe, wo vorzeiten die Burg der Riesen stand.
Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
du fragest nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.

Einst kam das Riesenfräulein aus jener Burg hervor,
erging sich ohne Aufsicht und spielend vor dem Tor,
und stieg hinab den Abhang, bis in das Tal hinein,
neugierig zu erkunden, wie's unten möchte sein.

Mit wen'gen raschen Schritten durchkreuzte sie den Wald,
erreichte gegen Haslach das Land der Menschen bald.
Und Städte dort und Dörfer und das bestellte Feld
erschienen ihren Augen gar eine fremde Welt.

Wie jetzt zu ihren Füßen sie spähend niederschaut,
bemerkt sie einen Bauern, der seinen Acker baut.
Es kriecht das kleine Wesen einher so sonderbar,
es glitzert in der Sonne der Pflug so blank und klar.

"Ei! artig Spielding!" ruft sie, "das nehm' ich mit nach Haus."
Sie knieet nieder, breitet behend ihr Tüchlein aus,
und feget mit den Händen, was sich da alles regt,
Zu Haufen in das Tüchlein, das sie zusammenschlägt.

Und eilt mit freud'gen Sprüngen – man weiß, wie Kinder sind –
zur Burg hinan und suchet den Vater auf geschwind:
"Ei Vater, lieber Vater, ein Spielding wunderschön!
So allerliebstes sah ich noch nie auf unsern Höhn."
Der Alte saß am Tische und trank den kühlen Wein,
er schaut sie an behaglich, er fragt das Töchterlein:
"Was Zappeliges bringst du in deinem Tuch herbei?
Du hüpfest ja vor Freuden, laß sehen, was es sei!."

Sie breitet aus das Tüchlein und fängt behutsam an,
den Bauern aufzustellen, den Pflug und das Gespann.
Wie alles auf dem Tische sie zierlich aufgebaut,
so klatscht sie in die Hände und springt und jubelt laut.

Der Alte wird gar ernsthaft und wiegt sein Haupt und spricht:
"Was hast du angerichtet? Das ist kein Spielzeug nicht!
Wo du es hergenommen, da trag es wieder hin!
Der Bauer ist kein Spielzeug, was kommt dir in den Sinn!

Sollst gleich und ohne Murren erfüllen mein Gebot,
Denn wäre nicht der Bauer, so hättest du kein Brot.
Es sprießt der Stamm der Riesen aus Bauernmark hervor!
Der Bauer ist kein Spielzeug, da sei uns Gott davor!"

Burg Nideck ist im Elsass der Sage wohl bekannt,
die Höhe, wo vor Zeiten die Burg der Riesen stand.
Sie selbst ist nun verfallen, die Stätte wüst und leer,
und fragst Du nach den Riesen, du findest sie nicht mehr.

Frei nach
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(gemeinfrei).

Die Brüder Grimm

Auch die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm erzählten die Sage nach. Bei ihnen blieb das riesige Burgfräulein vor Verwunderung stehen, schaute die Bauern, den Pflug und die Pferde an, weil ihr das alles etwas Neues war. "Ei", sprach sie und ging herzu, "das nehm ich mir mit." Hier packt sie ihr neues Spielzeug in ihre Schürze. Den Berg, den ein Mensch mühsam erklimmen müsste, nahm sie mit einem Schritt. Ihr Vater sagt zu ihr beim Blick auf die Schürze: "Was hast du da so Zappeliges darin?" – "Ei Vater, gar zu artiges Spielding! So was Schönes hab ich mein Lebtag noch nicht gehabt."

"Kind, das ist kein Spielzeug, da hast du was Schönes angestiftet! Geh nur gleich und trag's wieder hinab ins Tal. Mir ist der Bauer kein Spielzeug!", sagt der Ritter ernsthaft, "Ich leid's nicht, dass du mir murrst, kram alles sachte wieder ein und trag's an den nämlichen Platz, wo du's genommen hast. Baut der Bauer nicht sein Ackerfeld, so haben wir Riesen auf unserm Felsennest auch nichts zu essen." (Frei nach Brüder Grimm, gemeinfrei)

Ludwig Bechstein

Bei der Erzählung von Ludwig Bechstein hatte das Riesen-Fräulein noch niemals Menschenleute gesehen, und hier war es ein Ackersmann, der mit zwei Pferden pflügte, und in ihrer Schürze landete. Wie bei den Grimm's labte sich ihr Vater gerade an einem vollen Humpen Bier. Im Original klingt die Sprache Bechsteins für mich thüringisch-sächsisch: "Nu min Kind, was hesch so Zwaselichs in di Furti?...", und das Fräulein weinte, als sie ihren Fund wieder zurückbringen musste. "Wenn die Bauern nicht ackern, müssen auch die Riesen verhungern!" duldete jedoch keinen Widerspruch. (Frei nach Ludwig Bechstein, gemeinfrei)

In verschiedenen Nacherzählungen der Sage spielt die Geschichte auch auf verschiedenen alten Burgen, die teilweise heute nur noch Ruinen sind. Die Größe der verbliebenen Portale zeigt eindeutig, dass hier keine Riesen hausten!



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