Der Sündenfall
(frei nach Genesis 1-3)
von Sabine Gabriel
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Es begab sich aber zu der Zeit, als der Sohn sich aufmachte, Herrscher der Welt
zu werden und alle Welt vergessen zu machen, dass SIE es war, die Große Mutter,
die alles erschaffen hatte. Es war die Zeit, als Athene dem Kopf des Zeus
entsprang, die Frau also zur Kopfgeburt des Mannes wurde.
Zu dieser Zeit also ging unser Herr daran, den neuen Menschen zu erschaffen aus
einem Klumpen Erde. Er formte ihn nach seinem Bilde, einem Mann natürlich, und
hauchte ihm seinen Odem ein. Kaum bei Bewußtsein, beschwerte sich dieser neue
Mann auch schon: "Alle Tiere sind zu zweit und haben eine Partnerin, nur ich
bin ganz allein auf dieser Welt."
"Wo er recht hat, da hat er recht", dachte unser Herr. "Wie konnte ich das nur
vergessen?!" Also versprach er dem Menschen, den er geschaffen hatte, eine
Gehilfin zu suchen. Bevor er aufbrach überfiel ihn aber noch die wilde Panik,
der Mensch könne vom Baum des Lebens oder - noch schlimmer - vom Baum der
Erkenntnis essen und dann genauso schlau sein wie er. Denn eins wußte mann auch
schon vor Erscheinen all der klugen Bücher über das Herrschen und Dienen: will
man jemanden beherrschen, dann muß mann ihn dumm und in Abhängigkeit halten.
Also gebot unser Herr dem Menschen, von allen Früchten des Gartens und von
allen Bäumen zu essen. Nur vor dem Baum des Lebens und vor dem Baum der
Erkenntnis warnte er ihn, indem er ihm sagte, dass diese Früchte tödlich seien.
Danach machte er sich frohen Mutes auf den Weg, um unter den Geschöpfen seiner
Mutter eine Gehilfin für den Menschen zu finden, was aber nicht möglich war, da
die Geschöpfe seiner Mutter alles freie Wesen waren, die niemandem anders als
sich selbst verpflichtet sind. Niemand davon paßte zu dem neuen Menschen.
Tief betrübt kehrte unser Herr zurück und freute sich, dass der Mensch so
gehorsam war. Insgeheim grinste er sich noch einen, dass er den Menschen so
leicht ins Bockshorn jagen konnte.
Na ja, nun mußte er noch eine Lösung finden und hatte auch schon die passende
Idee: er versetzte den Menschen in einen tiefen Schlaf, entnahm ihm eine Rippe
und formte daraus die Gehilfin, die er neben ihn setzte, ohne ihr den
göttlichen Odem einzuhauchen. Von nun an lebten der Mensch und seine Gehilfin
nackt im Paradiese, herrlich und in Freuden und schämeten sich nicht.
Und nun könnte die Geschichte eigentlich zuende sein, wenn, ja wenn, die Göttin
nicht gewesen wäre, die in Eva ihresgleichen entdeckt hatte und es nicht
zulassen konnte, dass sie genauso ein Trottel wird wie der neue Mensch Adam. Als
heilige Schlange trat sie vor Eva und sagte ihr: "Was mein Sohn deinem Mann
über die beiden Bäume erzählt hat, ist der größte Quatsch aller Zeiten. Er hat
lediglich Angst, dass ihr vielleicht schlauer werden könntet als er und er dann
keine Macht mehr über euch hat. Hier, Eva, meine Tochter, nimm und iß davon,
und deine Augen werden dir aufgetan." Und sie reichte Eva den Apfel vom Baume
der Erkenntnis. Herzhaft biß sie in den Apfel und erkannte, wer sie war, und
erkannte, dass sie nackt war, nackt und ungeschützt.
Es war eine wunderbare Erkenntnis zu wissen, wer sie war. Gerne wollte sie
diese Erkenntnis mit ihrem Manne teilen und gab ihm auch den Apfel, nicht
ahnend, dass dies die letzte Erkenntnis war, die sie jemals wieder mit einem
Manne teilen würde. Adam aß und erkannte, wer er war, erkannte, dass er nackt
war, nackt und ungeschützt, und er erkannte, was gut war und was böse war.
Wenig später erschien unser Herr wieder im Garten und erstaunte darüber, daß
seine beiden Geschöpfe nicht zu sehen war. Sie versteckten sich hinter Büschen
und trugen je einen Lendenschurz aus Feigenblättern. Unser Herr ahnte ja schon,
was geschehen war: seine Mutter war wohl aufgekreuzt, um sein schönes Spiel zu
verderben. Aber eins wußte er doch: was sie kann, das kann er auch - und zwar
noch besser.
Bis jetzt war er ihr ja nur aus dem Wege gegangen, wohl wissend, dass es kein
schlimmeres Verbrechen als den Muttermord gab. Aber nun, da sie sich
erdreistete, sich so in sein Leben einzumischen, da konnte er nicht mehr an
sich halten und erschlug die eigene Mutter. Alle Schlangen nannte er nun
teuflische Tiere voller Hinterlist. Ab sofort sollte der Vatermord als das
schlimmste Verbrechen gelten, dessen man sich schuldig machen kann. Aber - wie
bitte schön? - sollte man eigentlich sicher sein, ob der Mann, der da vor einem
steht, der Vater ist oder nicht? Gute Frage, aber im Augenblick gab es ja noch
ein anderes Problem, das es zu lösen galt: wie macht man eine Erkenntnis wieder
rückgängig?
In seinem ersten Zorn wollte er die beiden aus dem Paradies vertreiben, aber
dann bettelte Adam so sehr und beteuerte inbrünstig und glaubwürdig, dass er
völlig unschuldig sei an seiner Erkenntnis, dass Eva ihm den Apfel regelrecht
aufgezwungen hätte, und es war ein Jammer mitanzusehen. Also lenkte unser Herr
ein und erlaubte Adam und Eva im Paradiese zu bleiben, allerdings unter einer
Bedingung: Adam distanziert sich sofort von seiner Erkenntnis dessen, was gut
und was böse ist, und Eva nimmt die Schuld an dem Ungehorsam gegen das Verbot
des Herrn auf sich alleine, wobei Adam sie sehr gerne unterstützt. Eva muß Adam
als ihren Herrn und Meister akzeptieren und die Schuld an allem, was Adam tut,
auf sich nehmen. Das akzeptierte Adam nur zu gerne, da es ja viel praktischer
ist, wenn andere sich den Kopf darüber zerbrechen, was nun richtig oder falsch
ist. Außerdem verspricht es, dass mann jeden Mist machen kann, ohne auch nur
einen Gedanken an die Folgen verschwenden zu müssen. Und schuld ist ja sowieso
Eva. Dann soll sie die Konsequenzen auch ausbaden. Einfach genial!
Da Eva Adam liebte, willigte sie ein, ohne auch nur im geringsten zu ahnen, auf
was sie sich da einließ.
Damit sie sich nun nicht weiter schämen mußten, machte unser Herr den beiden
Kleidung aus Fellen und vergaß auch die Schuhe nicht, in die Adam der Eva seine
weitere Schuld hinein schieben konnte. Unser Herr war beglückt über dieses
nette Arrangement, mit dem er nun glaubte, beide in der Hand zu haben. Da er
ihnen doch so ganz 100%ig nicht trauen konnte, stellte er vorsorglich seine
schwer bewaffneten Engel um den Baum des Lebens. Welch ein Horror, wenn diese
Menschen auch noch unsterblich würden, insbesondere Eva, vor der er doch einen
ziemlich Bammel hatte. Außerdem erinnerte sie ihn in ihrer Weiblichkeit ständig
an seine Mutter und das Unrecht, dass er an ihr begangen hatte. Insgeheim
fürchtete er sich ein wenig davor, dass Eva den Mord an seiner Mutter rächen
würde.
Aber soweit ist es ja zum Glück noch lange nicht. Nach all dem Elend, das
männlicher Herrscherwahn über ihre Kinder gebracht hat, insbesondere über ihre
beiden Söhne Kain und Abel, fängt Eva so langsam an, die Verantwortung für sich
und ihre Kinder selbst zu übernehmen und ist damit längst aus dem Paradies
verschwunden. Für Adams Schuld hat sie da weder Zeit noch Energie. Also bleibt
Adam langsam aber sicher selbst auf seiner Schuld sitzen und muß anfangen, die
Verantwortung für sein Leben selbst zu übernehmen, womit er dann ebenfalls aus
dem Paradiese seliger oder besser unseliger Unschuld vertrieben würde. Aber
wenn es denn je gelingen würde, sich in jeweiliger Eigenverantwortung außerhalb
des geschenkten Paradieses wiederzutreffen, dann und nur dann besteht die
reelle Chance auf ein neues Paradies, in dem es nur so wimmelt von
verantwortlichen Menschen, die einander in Liebe zugetan sind. Unter diesen
Umständen wird sich auch die von den Verantwortungslosen so geschundene Erde
erholen und zu einem neuen Garten Eden heranwachsen.
Und noch was: die Große Mutter, die alles erschaffen hat, die Göttin über Leben
und Tod, läßt sich nicht ermorden. Sie lebt, und sie ist noch da, sie wirkt,
solange es Leben und Tod gibt. Wir können sie spüren und sehen in jedem
Augenblick. Sie ist immer da und gibt ihren Kindern, was sie brauchen. Manchmal
brauchen sie auch eine gehörige Portion Leid und ein paar schallende
Backpfeifen, damit sie endlich aufwachen und aufhören, hinter Kopfgeburten
herzulaufen, die mit dem wirklichen Leben nichts zu tun haben.
Hier sind tolle Bücher von Christa Mulack zu obigem Thema. Einige davon habe
ich schon mit großer Begeisterung gelesen wie z.B. Jesus, der Gesalbte der
Frauen oder Die Wurzeln weiblicher Macht oder Maria, die geheime Göttin. Im
letzten Buch wird der Frage nachgegangen, wo und inwiefern sich die Spuren der
alten, mächtigen Göttinnen in Maria wiederfinden, u.a. im Namen: mare=lat.Meer,
daraus wurde Maria mit dem tiefblauen Gewand der ehemaligen Meeresgöttin.
Hier also die Bücher: