Nemmersdorf in Oberfranken
Südlich von
Goldkronach im Fichtelgebirge liegt die kleine Ortschaft Nemmersdorf mit knapp 500 Einwohnern. Die hohen spitzen Kirchtürme der Pfarrkirche sind schon von weitem zu sehen und geben der Ortschaft ihre unverwechselbare Skyline.
In der Geschichte Nemmersdorfs gibt es eine Episode, aus der schaurige Legenden entsprangen:
Das Ulmersgrab
Johann Christoph Ulmer war von 1788 bis 1827 Pfarrer in Nemmersdorf. Wie auch heute üblich wurden damals Grabstätten auf dem Friedhof nach einer gewissen Liegezeit wieder neu belegt, was ihn für sich grundsätzlich störte. Er wollte für die Ewigkeit ungestört ruhen. Obwohl außerhalb der Friedhofsmauern früher normalerweise nur Verbrecher, Selbstmörder, ungetaufte Kinder und andere gottlose Leute begraben wurden, war das für ihn die einzige Möglichkeit, auch nach dem Tod seine Ruhe zu haben. Man muss eben Prioritäten setzen.
Otto Normalverbraucher ist das nicht gegönnt, gibt es in Deutschland doch in allen Bundesländern die sogenannte Bestattungspflicht. Alle verstorbenen Menschen, einschließlich aller lebendgeborenen Kinder und Totgeborenen ab 500 Gramm Körpergewicht, müssen auf dem Friedhof bestattet werden. Näheres regeln Bestattungsgesetze der Bundesländer, bei uns das Bayerische Bestattungsgesetz von 1970, und weitere lokale Verordnungen.
So findet man heute immer noch nicht weit vom Nemmersdorfer Friedhof das sogenannte
Ulmersgrab. Der letzte Satz der lateinischen Inschrift auf dem Grabstein bedeutet: »Die Nachkommen sollen meine Gebeine nicht stören!«. Das war sicher auch der Wunsch der ägyptischen Pharaonen, die sich für die Ewige Ruhe Pyramiden oder Verstecke im Tal der Könige bauen ließen. Als ab 1922 der Archäologe Howard Carter im Auftrag von Lord Carnarvon das Grab des Tutanchamun entdeckte und öffnete, traf die Beteiligten der
Fluch des Pharao.
So ist es nicht verwunderlich, dass sich um das Ulmersgrab auch bald schaurige Geschichten rankten, die Wahrheit, dass Pfarrer Ulmer einfach seine Ruhe haben wollte, ist einfach zu langweilig. Der Pfarrer scheint ein streitbarer Geist gewesen zu sein, und so soll er, als er den Platz seiner Bestattung festlegte, den Fluch ausgesprochen haben: »Welcher Nachfolger mir meine Bäume wegschlägt, dass mir die Finken nicht mehr ihr Morgenlied darbringen können, soll keine zehn Jahre mehr leben!«.
Auf's Land wurden oft Pfarrer versetzt, die schon in die Jahre gekommen waren, und hier in ihren letzten Jahre einer kleinen Gemeinde noch gut ein paar Jahre dienen konnten. Als Quelle für Feuerholz bot sich das kleine Wäldchen um das Grab natürlich an, und so kam es, dass tatsächlich bis auf einen Pfarrer alle gestorben sind, während sie noch im Amt und nicht im Ruhestand waren. Manche sogar, unmittelbar nachdem sie dort Holz geschlagen hatten.
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Seine Ruhe im Grab hat man ihm aber offenbar gelassen, denn das Ulmersgrab gibt es noch immer. Außerhalb der Friedhofsmauern.
Legenden
Auf vielen Friedhöfen gibt es Gräber, die auch nach Ablauf der Liegezeit bestehen bleiben. Entweder die Nachkommen zahlen die Gebühr für kommende Jahre oder das Grab ist historisch bedeutsam, oder der Grabstein ist besonders schön. Deshalb war die Erklärung, warum Pfarrer Ulmer sich außerhalb des Friedhofs begraben ließ, manchem wohl zu simpel. So entspann sich darum eine weitere Legende:
Unsere Gegend war durch die Markgrafen zu Brandenburg-Kulmbach und zu Brandenburg-Bayreuth protestantisch geworden, und so war der Pfarrer offenbar verheiratet und hatte Kinder. Eines Tages verliebte sich sein Sohn in die Schlossherrin von Nemmersdorf. Das passte ihm nicht, war diese doch 15 Jahre älter als sein Sohn, und so verhinderte er die Heirat. Sein Sohn verstarb allerdings sehr jung und die Schlossherrin ein paar Jahre später. Sie wollte nicht in ihrer Familiengruft bestattet werden, sondern an der Seite ihres Geliebten, des Pfarrerssohns.
Darauf soll Pfarrer Ulmer gesagt haben »Wo dieses Weib begraben liegt, will ich nicht begraben sein.« Auch eine naheliegende Erklärung, aber nichts Genaues weiß man nicht, und es lebt niemand mehr, den man fragen könnte.
Das Massaker von Nemmersdorf (in Ostpreußen)
Nicht verwechseln darf man
Nemmersdorf in Oberfranken mit
Nemmersdorf in Ostpreußen, das heute
Majakowskoje heißt und zu Russland gehört. Im Oktober 1944 wurden hier knapp 30 Menschen getötet, nachdem die Russische Armee den Ort erobert hatte. Je nach politischer Gesinnung tauchten in den Folgejahren immer wieder unterschiedliche Behauptungen auf, zum Beispiel, dass die Zivilisten von der deutschen Gestapo oder der Wehrmacht selbst niedergemetzelt worden seien, um den Russen die Taten in die Schuhe zu schieben, was eher abwegig klingt. Das muss man wohl unter Verschwörungstheorie ablegen.