Der
Röslauer Steg über die Eger bei Marktleuthen in der realen Welt
Wie so oft fahre ich mit meinem Fahrrad von
Marktleuthen im Fichtelgebirge zur Nachbarortschaft
Röslau. Ich nehme nicht die Hauptstraße, sondern fahre wie immer über den Galgenberg, durch den Wald, und überquere die Eger auf dem
Röslauer Steg, den die Röslauer
Marktleuthener Steg nennen. Schon in meiner Jugend, vor über 50 Jahren, bin ich diese Strecke gerne und oft gefahren.
Aber er wurde umgebaut, eine Treppe führt hinauf, ich habe ihn viel kleiner in Erinnerung. Kein Problem, das Fahrrad auf die Schulter und rauf die Treppe. Da fällt mir auf, dass ich als Siebzigjähriger garnicht schnaufen muss. Mit Leichtigkeit nehme ich Stufe um Stufe wie in meiner Jugend. Ein guter Tag also. Oben werde ich plötzlich müde, und denke, das ist ein guter Platz, ein Nickerchen zu machen, die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und die Bretter sind garnicht hart
…
Ich träume, dass ich mit dem Auto nach Bayreuth fahre, um meine ehemaligen Kollegen zu besuchen. Weil ein schöner Tag ist, parke ich etwas entfernt und mache einen Spaziergang am Stadtrand. Seit meiner Pensionierung hat sich viel verändert, aber da stehen keine neuen Häuser, sondern alte, halb verfallene Bauernhöfe. Warum habe ich die früher nie gesehen? Ich steige alte Holztreppen hinauf, gelange in Scheunen und rieche den vertrauten Geruch von Heu, Getreide, Kartoffeln und einem Misthaufen. Weiter unten finde ich eine Stalltür und zu meiner Verwunderung stehen im Stall ein paar Kühe und in einer Ecke ist ein Schweinestall, fast wie in meiner Kindheit daheim. Also doch keine verlassenen Ruinen.
Vielleicht hätte ich lieber vornerum »Grüß Gott« sagen sollen, als hintenrum hineinzuschleichen. Da kommt auch schon ein junger Bursche auf mich zu und sagt »Servus!« Mir fällt nichts besseres ein, als zu erzählen, dass ich mich verlaufen hätte und zur Bundespolizei wollte, wo ich früher 40 Jahre lang als Funkelektroniker gearbeitet hatte. Da sagt der Junge, dass es die schon lange nicht mehr gäbe, sie war früher gleich um die Ecke, sei aber längst abgerissen worden. Dafür hat man jetzt solche kleinen Bauernhöfe gebaut. Dass die schon so alt aussehen, obwohl sie erst gebaut wurden, kommt mir garnicht seltsam vor. Ich erzähle ihm vielmehr, dass es früher bei uns daheim ganz ähnlich aussah.
Irgendwann verabschiede ich mich und will wieder zu meinem geparkten Auto zurück. Ich gehe durch viele alte Türen, Treppen hinauf, Gänge entlang und plötzlich finde ich mich auf dem Flachdach einer großen Scheune wieder. Die Aussicht ist großartig, die Sonne brennt und ich werde müde. Warum nicht ein Nickerchen machen
…
Im Traum finde ich mich im nahen
Hof an der Saale wieder, bin jung und mit einem Freund und zwei Mädchen sind wir unterwegs ins Kino.
Love Story soll laufen, kürzlich neu erschienen, und plötzlich habe ich die großartige Filmmusik im Ohr, als würde ich das Lied schon jahrzehntelang kennen:
Where do I begin to tell the story… Hat das nicht Andy Williams gesungen? Ist der nicht längst gestorben? Das alles wundert mich aber überhaupt nicht, vielmehr sehe ich die Mädchen vor uns laufen, bewundere ihre Bewegungen und freue mich auf den Film. Wir gehen ins Kino, das
Regina, da ist es stockdunkel, kein Lämpchen, keine Platzanweiserin, keine Werbung, kein Film, keine Leute, aber Sitzreihen. Kaum haben wir einen Platz ertastet, werde ich müde
…
Plötzlich merke ich, dass ich in meinem Bett liege. Aha, also doch nur ein Traum. Ich betätige den vertrauten Lichtschalter, aber nichts passiert. Stromausfall? Vielleicht war's deshalb im Kino so stockdunkel. Irgendwo liegt doch eine Taschenlampe. Ich gehe im Dunkeln durch die Wohnung, von Tür zu Tür, von Zimmer zu Zimmer, und es kommt mir garnicht seltsam vor, dass die Räume und Türen kein Ende zu nehmen scheinen. Wo bin ich bloß? Das war doch mein Bett und mein Lichtschalter. Vielleicht sollte ich einfach mal meine Augen aufmachen, aber irgendwie geht das nicht. Komischerweise finde ich das überhaupt nicht beängstigend, sondern lustig.
Plötzlich steigt mir Stallgeruch in die Nase. Habe ich davon nicht vor kurzem geträumt? Ich bin doch daheim, und da gibt's seit Jahrzehnten keinen Stall mehr. Als ich durch die nächste Tür trete, finde ich mich auf einem Flachdach wieder. Es ist Nacht und tief unter mir leuchten die Lichter der Stadt. Bin ich nicht vorhin auf einem Dach in Bayreuth im Sonnenschein eingeschlafen und habe geträumt, dass wir in Hof ins Kino gehen?
Unterwegs saß ein bedrohliches Tier mit leuchtenden Augen auf einem Baum und beobachtete mich!
Da muss doch irgendwo eine Treppe nach unten gehen, ich bin doch eine hochgestiegen. Nichts zu sehen, aber plötzlich sehe ich ein dickes Seil und es erscheint mir als das Normalste auf der Welt, daran nach unten zu klettern, das kenne ich doch, hab das früher oft gemacht. Aber so hoch war es in meiner Erinnerung nicht. Hoffentlich reicht das Seil auch bis nach unten, sonst muss ich wieder nach oben klettern! Gottseidank endet das Seil auf einem Balkon, das wird wohl jemand als Geheim-Eingang benutzen. Aber es gibt gar keine Balkontür, und da merke ich, dass ich nach der Anstrengung ganz schön müde bin, und mir fallen die Augen zu
…
»He, was machst du auf meinem Balkon?« fragt eine Frau und leuchtet mir mit einer Taschenlampe ins Gesicht. Gerade aus dem ersten Schlaf gerissen, stammle ich irgendwas vom Stromausfall, dem hohen Flachdach und dem Seil. Komischerweise sagt sie: »Brauchst garnicht weiterzureden, das sagen sie alle, die das Seil runterkommen. Kannst ruhig runterspringen, ist gar nicht so hoch wie es aussieht.« Es sieht sehr hoch aus, aber es erscheint mir als das Normalste auf der Welt, einfach zu springen. Ich komme weich auf, fast wie in Zeitlupe und finde mich in einem schönen Park wieder, dunkel, mit wenigen Straßenlampen und ein paar letzten Spaziergängern. Die Parkbänke sehen einladend aus und bieten sich geradezu für ein Nickerchen an
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Beim Einschlafen wundere ich mich noch, warum ich heute dauernd müde bin und einschlafe, aber das ist mir egal. Auf jeden Fall besser als schlaflos durch die Nacht zu wandern. Ein Hupen weckt mich auf. Der hat aber nicht mich gemeint. Warum wundere ich mich aber, dass ich dort aufwache, wo ich eingeschlafen bin, das ist doch eigentlich ganz normal. Normalerweise wacht man ja immer dort auf, wo man eingeschlafen ist, oder ist das nicht so? Vielleicht träume ich? Da merke ich plötzlich, dass eine alte Frau bei mir auf der Parkbank sitzt und die fragt mich: »Aus welchem Traum willst du denn aufwachen?«
Natürlich wollte ich vom ersten Traum aufwachen, um wieder in der realen Welt zu sein. Aber sie belehrt mich, dass das natürlich nicht geht, weil sie mich dann in der realen Welt aufwecken müsste, und als Traumgestalt kommt sie da nicht hin. Auch im Kino aufzuwachen, würde keinen Sinn machen, denn dort ist ja Stromausfall. Und auf dem Röslauer Steg erst recht nicht, denn das war ja ein ganz anderer Steg, und den gibt's überhaupt nicht. Ich glaub die Alte spinnt. Ich will nur schlafen, und als ich kurz nochmal die Augen aufmache, ist sie auch schon weg, gottseidank, endlich Ruhe und schlafen
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Plötzlich rüttelt mich jemand: »He, wach auf, du kannst doch nicht hier mitten auf dem Steg schlafen. Da wollen Leute rüber!« Ich denke nur »Gottseidank, endlich wieder in der realen Welt!«, stehe auf und will auf mein Fahrrad aufsteigen. Aber es ist mein altes Kinderfahrrad und viel zu klein für mich alten Knacker. Da lachen mich die Leute aus und sagen »Schau, schau, der hat sein ganzes Leben verschlafen!« Irgendwie ist das alles nicht normal. Da werde ich plötzlich wieder müde
…
Im Halbschlaf fallen mir die Matroschka Steckpuppen ein. Wenn man sie aufmacht, kommt eine weitere Holzpuppe zum Vorschein, und wenn man die aufmacht, eine noch kleinere. So ist das heute mit meinen Träumen. Ich frage mich nur, ist die reale Welt nun ganz innen oder ganz außen. Vor lauter anstrengendem Denken schlafe ich wieder ein
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