Aussteiger,
Einsiedler und
Sonderlinge

Der Waldläufer
im Fichtelgebirge

Fotos und Informationen
aus Oberfranken

Die Hütte des Waldläufers

Die Hütte des Waldläufers bei Marktleuthen im Fichtelgebirge
Aussteiger gibt's ja viele, sie gehen in einsame Gegenden, nach Neuseeland, Grönland oder Sibirien. Wahrscheinlich haben die meisten einfach die Schnauze voll von unserer sogenannten Zivilisation. Aber wovon lebt man dann?

Im Fichtelgebirge in Oberfranken lebte fast ein ganzes Jahr ein Mann im Wald und hielt sich mit Einbrüchen in einsame Fischerhütten, Jagdhütten und Scheunen am Leben. Am Fuß des  Großen Kornbergs bei  Marktleuthen hatte er sich in einem Sumpfgebiet im dichten Wald ein komfortables Lager eingerichtet. Seine zeltartige Behausung hatte er mit Holz verstärkt und so gut mit Fichtenästen getarnt, das es ihm von Frühjahr 2014 bis Januar 2015 gelang, dort unentdeckt zu bleiben.

In der Zeit stahl er nicht nur Getränke und Lebensmittel aus abgelegenen Hütten und Scheunen, er hatte seinen Unterschlupf sogar mit einem Gasheizer ausgestattet. Auch mit allerlei Werkzeugen hatte er sich bestens versorgt. Allerdings war der angerichtete Schaden wegen der Beschädigungen durch die Einbrüche meist höher als der Wert der gestohlenen Sachen.

Laut unserer Heimatzeitung, der Frankenpost, vom 15. Januar 2015, lebte er schon seit 9 Jahren meist in Wäldern, nur unterbrochen durch einen Gefängnisaufenthalt nach ca. 70 Einbrüchen in Östereich im Jahr 2010. Im Fichtelgebirge hat er es während seines Aufenthalts auf ca. 90 Einbrüche gebracht.

Während die Opfer der Einbrüche, deren Hütten er teilweise sogar mehrmals heimsuchte, natürlich froh sind, dass er endlich hinter Schloss und Riegel sitzt, trauern so manche Stammtische dem Unterhaltungswert nach, den immer neue Schauergeschichten und Waldläufer-Witze genossen. Sogar ins deutsche Fernsehen hat es "unser Waldläufer" geschafft, was bestimmt einen nicht unerheblichen Werbeeffekt für das Fichtelgebirge bedeutete. Vielleicht wissen dadurch sogar die Preußen, Ostfriesen und Altbayern inzwischen, wo unsere schöne ruhige Heimat zu finden ist.

Zum Verhängnis wurde ihm ein Einbruch in der Nähe von Martinlamitz. Wegen der Schneelage konnte die Polizei seine Spuren verfolgen. Die Beamten fanden Das Phantom vom Kornberg schließlich schlafend im Schlafanzug in seiner gut getarnten Behausung. Unten ein Foto der Rückseite seiner Hütte mit Terrasse.

Rückseite der Behausung des Waldläufers mit Terrasse

Lt.  Frankenpost vom 31.1.2015 fühlte er sich draußen im Wald immer gesund und hatte nie das Gefühl, krank werden zu können. Krankheiten bekam er nur, wenn er unter Menschen war, zum Beispiel Magengeschwüre im Gefängnis. Sobald er wieder in der Natur war, verschwanden alle Beschwerden und er fühlte sich wieder wohl.

Im Grunde lebte er einen Traum, den wohl jeder von uns schon mal geträumt hat, sichtbar im Boom der Mittelaltermärkte, historischen Romanen und Verfilmungen: Ein Retro-Leben, fernab vom Rummel unserer Städte, von der Hektik und den Problemen des Alltags in der einsamen Natur. Niemand traut sich, diesen Traum tatsächlich einmal auszuleben, zumal das eben nicht so einfach ist. So gut wie alles gehört irgendjemandem. Im Herbst mag man noch Waldfrüchte finden, aber Feldfrüchte gehören den Bauern, das Wild den Jägern und die Fische den Fischern.

Um tatsächlich von der Natur leben zu können, müsste man schon nach Sibirien oder Kanada gehen. Auch der Wohnort des Waldläufers bestand ja nicht aus Urwald sondern aus Wirtschaftswald. Der Urwald, vor allem aus Buchen und Eichen, wurde bei uns schon im Mittelalter für den im Fichtelgebirge verbreiteten  Bergbau verbraucht, für Grubenholz und zur Erzverhüttung und Metallverarbeitung. Erst in den letzten Jahrhunderten pflanzte man dafür die schnell wachsenden und in kurzer Zeit Ertrag bringenden Fichten. Der Name Fichtelgebirge kommt also nicht von der Baumart Fichte.

Wirklich unberührte und freie Natur gibt es also auch bei uns überhaupt nicht mehr. Und hat man sich erst einmal an die Annehmlichkeiten unserer Zivilisation gewöhnt, würden wir wahrscheinlich sehr schnell vieles schmerzlich vermissen. So bleibt uns nur das Träumen. Vielleicht beruht darauf die Faszination, die unser Waldläufer auf viele Menschen ausübt. Ob er im Gefängnis schon die ersten Heiratsanträge bekommen hat?

Kunst am Bau, Vogelfütterung oder Altar des Waldläufers im Fichtelgebirge?
Kunst am Bau, Vogelfütterung oder Altar?


Wenn im Frühjahr die Temperaturen wieder steigen, würde es mich gar nicht wundern, wenn Nachahmer auftauchen würden! Überlebenskünstler, oder neudeutsch Survival-Experten, wie  Rüdiger Nehberg, hätten es natürlich nicht nötig einzubrechen. Sie würden sich von dem ernähren, was die Natur so bietet, von der Heuschrecke bis zur Spinne. Im Winter wird's allerdings schwierig sein, ohne zum Wilderer zu werden.

Fernseh-Berichte

Unten ein Bericht auf SAT 1 Bayern über unseren "Yeti", der es tatsächlich schaffte, 9 Monate lang im Wald zu leben,
ohne gefunden zu werden, obwohl aufgrund von zahlreichen Einbrüchen intensiv nach ihm gesucht wurde.



Ein Ausschnitt aus der Sendung Quer des Bayerischen Fernsehens mit kurzen Teilen unseres Liedes über den Waldläufer:



Das Waldläufer-Lied

Ob die Namensgebung Waldläufer durch die Film-Trilogie und die Bücher von J.R.R. Tolkien,  Der Herr der Ringe, inspiriert wurde, weiß ich nicht, ist aber anzunehmen. Darin ist Aragorn einer der Waldläufer des Nordens, ein Nachkomme von Isildur und der eigentliche Thronerbe von Gondor, gespielt von Viggo Mortensen.

Wir haben mal ein Lied über unseren Waldläufer gemacht,
damit die Geschichte nicht so schnell vergessen wird:
Text: Erwin Purucker
Melodie: Volksgut aus Böhmen
Sänger: Gerold Brunke und Erwin Purucker
Akkordeon: Ernst Zollitsch
Ein Video des ganzen Liedes, aufgenommen vom Bayerischen Fernsehen im Café Schoberth in Marktleuthen mit Wirtshausatmosphäre:




Das vollständige Lied, aufgenommen von  SAT 1 Bayern, mit eingeblendeten Bildern von der Waldläufer-Hütte:



Ein selbst gemachtes Video:



Sie verstehen den Text in Mundart nicht?
Eine Version mit Texteinblendungen in hochdeutsch finden Sie hier:  Waldläufer-Lied mit Texteinblendungen


Unsere Heimatzeitung brachte einen Bericht über das Lied:  Waldläufer-Lied in der Frankenpost

Der Yeti des Fichtelgebirges

Der mysteriöse Waldläufer im Fichtelgebirge hat natürlich auch Esoteriker auf den Plan gerufen, die sich nicht vorstellen konnten, dass es in Deutschland noch wildlebende Menschen gibt. Da musste es sich um etwas ganz anderes handeln. Nachdem man Außerirdische aufgrund mangelnder Sichtungen ausschließen konnte, führte ein gefundender Fußabdruck im Schnee auf die richtige Spur. Durch den Bergsteiger-Tourismus im Himalaya vertrieben, hat sich ein Yeti ins Fichtelgebirge verirrt. Die Polizei hat also den Falschen verhaftet!

Unten zum Beweis ein Bild der Yeti-Fußspur im Schnee mit Maßstab, in der Nähe der Waldläufer-Hütte. Mit einer Fußlänge von 54 cm, das wäre eine Schuhgröße (EU) von 80, muss er ein wahrer Gigant sein. Einen Menschen mit so einer Schuhgröße dürfte es wohl kaum geben!
Yeti-Fußspur am Kornberg im Fichtelgebirge

Die Sendung Quer mit Christoph Süß vom 11.12.2014 (Der Waldläuferist der erste Beitrag):  YouTube
Ein Video des Bayerischen Rundfunks vor seiner Entdeckung:  YouTube
Eines nach seiner Entdeckung von TV Oberfranken:  YouTube
Und eines nach seiner Entdeckung vom Bayerischen Fernsehen:  YouTube
Diese Videos des Bayerischen Fernsehens wurden bei YouTube leider gelöscht

Aussteiger - Zurück zur Natur

Die Sehnsucht nach einem einfachen ursprünglichen Leben in der Natur und im Wald ist nicht neu. Ob einsiedlerische Pelztierjäger in Kanada oder neuzeitliche Aussteiger in abgelegenen Höhlen, immer mal wieder gab es Einzelgänger, Sonderlinge und Aussteiger, die sich mit einem Mindestabstand von mehreren Kilometern vom nächsten Nachbarn am wohlsten fühlen.

Bekannt wurde der amerikanischer Schriftsteller und Philosoph Henry David Thoreau, der am 4. Juli 1845 für zwei Jahre in eine selbstgebaute Blockhütte bei Concord am Walden-See zog. Allerdings hatte er damals die Erlaubnis des Grundstücksbesitzers, dem philosophischen Schriftsteller Ralph Waldo Emerson. Thoreau's Buch Walden, oder Leben in den Wäldern wurde in bestimmten Kreisen zum Kult.
 Walden, oder Leben in den Wäldern von Henry David Thoreau 
 Henry David Thoreau - Das reine Leben von Maximilien Le Roy 
 Ralph Waldo Emerson 

Gefährliche Waldläufer

Ein ganz anderes Kaliber war im Jahr 2020 Yves R. im Schwarzwald. Oft wird er als der Waldläufer von Oppenau bezeichnet. Von Polizisten erbeutete er vier Pistolen, die er jedoch bei seiner Festnahme durch ein SEK nicht einsetzte. Er verletzte dabei zwar einen Polizisten, aber es hätte durchaus schlimmer kommen können. Auch wenn ihn manche Schwarzwald-Rambo nennen, kommt er an den Original-Rambo doch nicht heran.

Wilde Menschen und Wolfskinder

Auch wenn wahrscheinlich kaum jemand ernsthaft in Erwägung zieht, wild im Wald leben zu wollen, geht von solchen Menschen eine gewisse Faszination aus. Berichte werden zu Märchen und Legenden, und nach längerer Zeit zum Mythos, wie die Geschichte der Zwillinge Romulus und Remus, die schon 750 Jahre vor Christus als Gründer Roms gelten. Damit Wolfskinder ohne Bildung und Erziehung so etwas leisten können, mussten sie schon etwas Besonderes sein, und so waren sie natürlich Kinder des Kriegsgottes Mars, die dieser mit der Königstochter Rhea Silvia zeugte. Was uns heute als reine Fantasie anmutet, war für die Leute früher historische Wahrheit. Die Mythen und Legenden zu hinterfragen war auch gefährlich. So wurde es Sokrates zum Verhängnis, dass er Dinge öffentlich in Frage stellte. Erst nach dem Ende des Mittelalters, zum Beginn der Neuzeit und in der Renaissance begannen Menschen, sich wieder auf die Thesen der alten griechischen Philosophen wie Platon zu besinnen, und nicht alles zu glauben, was Überlieferungen und die Kirche als Lehrmeinung durchzusetzen versuchten. Profane Erklärungen sind jedoch oft langweiliger als mystische Geschichten, oft haben diese aber auch einen wahren Kern und werden dann nur ausgeschmückt.

Berichte aus der Neuzeit von wilden Menschen tauchten immer wieder auf, wie der Wilde Peter von Hameln, der 1724 nahe der Stadt im Wald gefunden wurde, kein Wort sprach und sich verhielt wie ein Tier. Carl von Linné bezeichnete solche Menschen als eine Art Rasse oder menschliche Unterart und schuf dafür den Begriff Homo ferus. Man versuchte, durch Untersuchung der nicht von der Zivilisation beeinflusster Kinder etwas über die wahre Natur des Menschen zu erfahren, was angeboren und was anerzogen und erlernt ist. Zur Unterhaltung des sich langweilenden Adels lebte er eine Zeit lang am Hof des englischen Königs George I. Heute versucht man sein Verhalten durch einen Geburtsfehler zu erklären, einen Gendefekt, das sogenannte Pitt-Hopkins-Syndrom. Das macht Sinn, weil es durchaus auch nicht selten war, dass sich Eltern schwer behinderter Kinder nicht anders zu helfen wussten, als sie im Wald auszusetzen, eine Art früher Euthanasie. Durchaus möglich, dass manche davon unter geheimnisvollen Umständen überlebten. Auch die Armut der Eltern mag manchmal der Grund gewesen sein, wie im Märchen Hänsel und Gretel. Eines der Kinder, die der Rattenfänger aus Hameln entführte, kann es nicht gewesen sein, diese Geschichte spielt nämlich schon 500 Jahre früher im 13. Jahrhundert.

Im Gegensatz dazu war der rätselhafte Findling Kaspar Hauser, der 1828 in Nürnberg auftauchte, wahrscheinlich schon als Kleinkind in einem Stall eingesperrt und wie ein Tier gehalten worden. Ein damals verbreitetes Gerücht, dass es sich um den 1812 geborenen Erbprinz von Baden handelte, den man schon als Säugling entführt hat, um ihn aus der Thronfolge zu entfernen, wurde als Prinzenlegende bekannt. 1833 wurde Kaspar Hauser schließlich erstochen. 1996 und 2002 durchgeführte Gentests brachten kein eindeutiges Ergebnis über die Abstammung.

Erst vor kurzem, 1991, wurde in Uganda nicht weit von Kampala ein Junge in einer Gruppe von Affen entdeckt, der offenbar schon lange mit den Tieren lebte. Er nennt sich heute John Ssebunya und wurde als Monkey Boy (Affenjunge) berühmt. Das erinnert schon sehr an das Findelkind Mogli (Mowgli), dessen Geschichte allerdings in Indien spielt, wo der Autor des Dschungelbuchs, Rudyard Kipling, bei Bombay seine Kindheit verbrachte. Auch die beiden Mädchen Amala und Kamala wurden Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt, als der Missionar Singh sie angeblich bei einem Wolfsrudel in einem alten Termitenhügel im indischen Bengalen entdeckte. Ihr tierisches Verhalten legten sie nie ab, vielleicht auch, weil sie nicht oder nicht früh genug, konsequent menschlich erzogen wurden.


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