Die Hinrichtung von Karl Ludwig Sand,
dem Mörder von August von Kotzebue
(Zeitgenössischer kolorierter Kupferstich, gemeinfrei)
Karl Ludwig Sand
Noch ein sehr umstrittener Mann wurde in Wunsiedel geboren: Karl Ludwig Sand, dessen Geburtshaus inzwischen abgerissen wurde, erblickte 1795 das Licht der Welt. Damals gehörte Wunsiedel über das Fürstentum Bayreuth bzw. Markgraftum Brandenburg-Kulmbach noch zu Preußen. Durch den Frieden von Tilsit von 1807 fiel das gesamte Gebiet an Frankreich und Wunsiedel musste Einquartierungen und Zwangsabgaben erdulden. Fünf Jahre später wurden wir schließlich alle zu Bayern. Während seiner Studienzeit in Tübingen, Erlangen und Jena schloss sich Karl Sand verschiedenen Studentenvereinigungen und Burschenschaften an, die vor allem damals oft sehr liberale und auch nationalistische Überzeugungen vertraten. Deutschland, wie wir es heute kennen, gab es zu der Zeit noch nicht und bis zu einer Vereinigung zu einem Nationalstaat war noch ein weiter Weg, den man wohl erst durch die
Deutsche Reichsgründung im Jahr 1871 als abgeschlossen betrachten kann.
Karl Sand sah den Schriftsteller August von Kotzebue, der gleichzeitig russischer Generalkonsul war, und der in seinen Veröffentlichungen immer wieder die Burschenschaften und die deutsche Nationalbewegung angriff, als seinen Feind. Sand studierte Theologie in Jena und am 23. März 1819 erstach er in Mannheim August von Kotzebue vor den Augen dessen Sohnes. Dafür wurde er zum Tode verurteilt und gehenkt. Die Planung des Attentats und die Auswahl, wer von Kotzebue umbringen soll, wurde in
Warmensteinach, im Gasthof Löchleinstal, durchgeführt. Dort trafen sich von 1819 - 1823 Burschenschafter aus Jena, Halle, Leipzig und Erlangen.
August von Kotzebue trat als politischer Schriftsteller für die Wiederherstellung einer starken Monarchie ein und verhöhnte den Geist des Liberalismus. Nach dem Ende Napoleons und dem Wiener Kongress 1815 gab es starke Strömungen der Restauration, die eine Wiederherstellung der Monarchie und der Macht des Adels betrieben. Wir kennen diese Zeit als kulturgeschichtliche Epoche des Biedermeier, in dem die "besseren Gesellschaftsschichten" ihren Stand demonstrativ auch in der überschwänglichen Kleidung zur Schau trugen. Für die studentischen Burschenschaften war das eine Provokation. Sie sahen sie als eingebildete Spießbürger, die den Fortschritt behindern. August von Kotzebue exponierte sich mit seinen politischen Streitschriften und machte sich damit die Burschenschaften zum Feind.
Die Konservativen Kräfte wehrten sich noch im gleichen Jahr mit den sogenannten
Karlsbader Beschlüssen, mit denen im Deutschen Bund die Burschenschaften verboten, die Universitäten überwacht und die Pressefreiheit eingeschränkt wurden. Auch mit für uns heute skurril erscheinenden Maßnahmen, wie die Turnsperre (das Turnverbot) zur Demagogenverfolgung konnte man die liberal denkenden Studenten nicht auf Dauer bändigen, was schließlich 1848 zur Deutschen Revolution, der
Märzrevolution, führte, welche allerdings auch nur begrenzten Erfolg für die freiheitlich denkenden Menschen brachte.
Heute kann man sich durchaus streiten, ob man in Karl Sand einfach einen Mörder sieht, oder einen Streiter für Freiheit, Aufklärung und die Deutsche Einheit, einen Freiheitskämpfer. Unser Rechtssystem lässt nunmal Mord als Mittel zur Durchsetzung politischer Überzeugungen nicht zu. So wird auch immer mal wieder die Umbenennung der Karl-Sand-Straße in Wunsiedel diskutiert, oder zumindest die Einführung einer August-von-Kotzebue-Straße in der Nähe. Hier sollte man jedoch berücksichtigen, dass alle historischen Personen sich kaum in "nur gut" und "nur schlecht" einordnen lassen. Erinnerungen durch Straßennamen oder Gedenksteine dienen eben nicht nur zur Ehrung der Personen, sondern auch zur Anregung, über Vorkommnisse und Probleme der Geschichte nachzudenken und zu reden, oder gar damit zu mahnen. Aber er ist und bleibt eben ein Mörder, da ist das schon grenzwertig.