Philosophisches
In seine damals sehr populären Geschichten hat Jean Paul auch philosophische
Gedanken eingebaut. So sinniert er im Siebenkäs, Kapitel 47, ob es einen
Gott
gibt. In einer Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab lässt er Jesus
durch alle Welten gehen, die Sonnen, Milchstraßen und die Wüsten des Himmels
durchsuchen, auch in den tiefsten Abgrund lässt er ihn schauen und
»Vater, wo bist du?« rufen. Aber die unermessliche Welt starrte ihn
nur mit einer leeren bodenlosen Augenhöhle an und auf die Erkenntnis
»Er ist nicht!« folgt die Verzweiflung: »Niemand ist im All
so sehr allein als ein Gottesleugner!« Bei Jean Paul ist das Ganze nur
ein Albtraum, und nach dem Erwachen ruft der Schläfer erleichtert:
»Meine Seele weinte vor Freude, dass sie wieder Gott anbeten konnte!«
Vielleicht hat Friedrich Nietzsche auch den Siebenkäs gelesen und sein
Gott ist tot
daraus entwickelt.
Als Philosophen kann man Jean Paul natürlich nicht bezeichnen.
Ins Zeitalter der Aufklärung hineingeboren, war ihm diese Strömung zu
nüchtern und mit den Thesen der Metaphysik konnte er sich auch nicht so recht
anfreunden. So kam ihm der Trend hin zur Literatur der Romantik bestimmt eher
entgegen, um seine Geschichten zu veröffentlichen, die schnell sehr populär
wurden. Begeistert war er jedoch von den Schriften des 25 Jahre jüngeren
Arthur Schopenhauer. So empfahl er seiner Leserschaft dessen Hauptwerk
Die Welt als Wille und Vorstellung.
Damit erreichte er aber sicher das falsche Publikum. Wer seinen Hesperus oder
Siebenkäs las, hatte wahrscheinlich kaum Lust, sich mit den
erkenntnistheoretischen und oft düsteren philosophischen Schriften zu befassen,
obwohl Schopenhauer im Vergleich zu Kant ja noch leicht und unterhaltsam zu
lesen ist. Uns modernen Menschen des 21. Jahrhunderts fällt es
inzwischen wiederum schwer, die Geschichten Jean Pauls mit Genuss zu lesen.
So ändern sich eben die Zeiten. Schopenhauer kam mit der Zeit doch noch zu den
ihm zustehenden Ehren und beeinflusste mit der
Welt als Wille und Vorstellung
wiederum Richard Wagner. So schließt sich der Kreis wieder in unserer Gegend,
dem heutigen Oberfranken.
Auch die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, oft als "Gebrüder Grimm" bezeichnet,
scheinen seine Romane gelesen zu haben.
So kann man immer wieder lesen, dass in den Märchen der Grimms Inspirationen
von Jean Paul zu finden sind. In wie weit das zutrifft oder erwiesen ist,
kann ich nicht beurteilen. Die
➜ Sterntaler
in dem Märchen, das ursprünglich
Das arme Mädchen
hieß, werden oft mit den sagenhaften Regenbogenschüsselchen gleichgesetzt.
Dabei handelt es sich um keltische Münzen, die schüsselförmig gebogen sind und
von den
➜ Kelten im Boden vergraben wurden. In der
Unsichtbaren Loge beschreibt Jean Paul ein Waisenkind, das auf mystische Weise mit Talern
überschüttet wird. Eine ähnliche Geschichte beschreibt aber auch schon Achim
von Arnim. Bei ihm lässt die himmlische Mutter die Sterne als Taler vom Himmel
fallen. Wer da von wem abgeschrieben hat, ob alles auf ältere Erzählungen
zurückgeht oder gar Zufall ist, wer weiß?
Vor allem in
Labyrinthen
hört man immer wieder das Jean-Paul-Zitat
"Das Ziel muss man früher kennen als den Weg!".
Es mag zwar schön sein, ein Ziel zu kennen und den Weg dorthin zu suchen, und
schließlich auch zu finden, aber manchmal findet man auch ein Ziel auf einem
Weg, das man garnicht gesucht hat! Man
muss ein Ziel also nicht zwangsläufig kennen, um es zu finden. Gerade in der Welt
der Wissenschaft wären viele Dinge nicht entdeckt worden, hätte man nur nach
bestimmten Zielen gesucht. Leider weiß ich nicht, in welchem Zusammenhang Jean
Paul diesen Satz gesagt hat. In dieser verallgemeinerten Form ist er wohl
einfach falsch.